Asger Jorn - Choreographie des Augenblicks – Buch gebraucht kaufen

3929096242

(ISBN-13: 9783929096248)

leichte Gebrauchsspuren

220x220 mm

84

420 g

Paperback

Deutsch

Asger Jom in Bielefeld

Choreographie des Augenblicks Malerei, Zeichnungen und Druckgrafik

Andreas Beaugrand
Ende 1995 zeigt der Bielefelder Kunstverein erstmals im westfälischen Raum Arbeiten des dänischen Künstlers Asger Jom (1914 - 1973), eine der facettenreichsten Küstlerpersönlichkei-ten der europäischen Nachkriegszeit, dessen Leben von einer ungeheuren Wahrnehmungs-, Erlebens- und Schaffenslust geprägt ist, die sich insbesondere gegen überkommene Konventionen und Wahrnehmungsgewohnheiten richtete.

Die Ausstellung widmet sich dem Lebenswerk eines bedeutenden Künstlers, der sich zeit seines Lebens gegen jegliche Normen zur Wehr gesetzt hat, als Maler, Kunsttheoretiker („Plädoyer für die Form", „Gedanken eines Künstlers") und „Antikünstler“, als Mitbegründer von künstlerischen Bewegungen (CoBrA, „internationale situationniste"), als Mitgestalter von Le Corbusiers Pavillon „Temps Nouveaux" und als modernisierender Verwandler von Vorgefundenen, vernachlässigten „Kitsch"-Bildern in ironische „Modifikationen"; Asger Jom lehnte ebenso den in der Kunstszene begehrten Guggenheim-Preis ab und regte zugleich als nomadisierender Weltbürger zahlreiche Künstlerpersönlichkeiten zu neuer Kreativität an.

1936 kam Asger Oluf Jorgensen, wie Asger Jorn von Geburt hieß, nach Paris, um bei Kandinsky zu studieren und so das für seine künstlerische Entwicklung wenig günstige Skandinavien verlassen zu können. Statt dessen landete er in der Schule von Fernand Löger, dessen strenge Disziplin mit Jorns Wunsch nach Unabhängigkeit und Freiheit kollidierte, ihn jedoch für seinen selbstbewußt gewahrten eigenen Weg trotz aller Abwehr ein Gefühl für „Struktur" lehrte. Nach seiner künstlerischen Ausbildung im Atelier Fernand Legers gründete Asger Jorn 1942 im von den Deutschen besetzten Kopenhagen mit dänischen Künstlerkollegen die Gruppe „Helhesten" („Höllengaul“), die sich - auch mit der gleichnamigen Zeitschrift - engagiert für die von den Deutschen verfehmte „entartete Kunst“ einsetzte. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges - 1947 - gründete Asger Jorn (Copenhague) mit Christian Dotremont (Brüssel) und zusammen mit Constant, Corneille und Karel Appel (Amsterdam) die Künstlergruppe CoBrA, die sich in einem kurzen Zeitraum von vier Jahren - bis zu ihrer Auflösung 1951 - die Verwirklichung der „dialektischen Einheit von Traum und Tat" und eine Wiederherstellung der Verbindung von Kunst und Leben zum Ziel gesetzt hatte. Schon der Gruppenname griff die französische Dominanz in der Kunst an: CoBrA wandte sich gegen die Sterilität eines für sie überalterten Surrealismus und den Formalismus der Pariser Abstrakten. Die Künstlergruppe forcierte die künstlerische Spontaneität, das Experiment, die „einfache“ malerische Aussage und befaßte sich - wie die Surrealisten, aber grundlegend anders interpretiert - nach Hans Prinzhorns epochaler Schrift „Bildnerei der Geisteskranken" (1922) mit Volkskunst und Bildnerei von Kindern und Außenseitern, mit dem Ziel, die noch heute bestehende Kluft zwischen Künstlern und Publikum durch die Orientierung auf Figuration überwinden zu helfen.

Die in dieser Zeit entstandenen Arbeiten Asger Jorns zeigen folgerichtig eine frühe tiergestaltige und zugleich „formlose" Bildwelt in deutlich erkennbarer Tradition skandinavischer Volkskunst: Wie ein Mosaik fügt Asger Jom persönliche Erfahrungen, künstlerische Visionen und beklemmende Zeitkritik zusammen, wie sie auch in den düsteren „Kriegsbildern" der frühen fünfziger Jahre erkennbar sind.

Asger Jorn blieb dem CoBrA-Konzept verpflichtet: Mit Ausdauer und Charme, Geduld und Konsequenz wehrte sich Asger Jorn dagegen, unter den Teppich französischer Malkultur gekehrt zu werden. Er malte zeitkritische und politische, aufregende und sensible experimentelle Bilder von großer Intensität, und obwohl er mit vielen Zeitgenossen in persönlich wie künstlerisch freundschaftlicher Beziehung stand und mit ihnen den Neubeginn Moderner Kunst im Nachkriegseuropa diskutierte und förderte, blieb er in gewisser Weise ein „Einzelgänger“ mit einer ganz eigenständigen künstlerischen Auffassung, wie seine Gemälde und Zeichnungen, seine druckgrafischen Werke und Collagen verdeutlichen: Er spielt virtuos und zugleich ironisierend mit der künstlerischen Avantgarde seiner Zeit und erinnert im geschichtswissenschaftlichen Kontext an die Anfänge der lange Zeit belächelten Disziplin der Industriearchäologie: „Dig where you stand." - „Grabe, wo Du stehst," In diesem archäologischen Sinne entdeckt und „befreit" Asger Jorn Anfang der fünfziger Jahre seine Kobolde und Dämonen, seine Erscheinungen
usw.....

1995

BN31743SK