Geliebte Hortense – Buch antiquarisch kaufen

deutliche Gebrauchsspuren

416

572 g

Hardcover/gebunden

Deutsch

Ecken und Kanten stärker bestoßen, Kanten unten teils angerissen. Seiten und Buchschnitt altersbedingt leicht abgedunkelt. Erste Seite ISBN Nummern mit Bleistift. Buchschnitt fingerfleckig und kleine Verschmutzungen.

Allergnädigste Königin!

Ich möchte diesen offenen Brief mit einem offenen Geständ­nis beginnen: Als ich Ihre dreibändige Selbstbiographie zu Ende ge­lesen hatte, empfand ich, neben allem Mitgefühl für Ihr Schicksal, aufrichtiges Bedauern. Welch ein Buch hätte entstehen können, so dachte ich, wenn statt des eitlen Wunsches, eine gute Figur vor der Weltgeschichte zu machen, die Liebe zur Wahrheit diese Feder geführt hätte! Dann wäre Ihr Mann, der kleine Bruder des großen Napoleon, nicht zum lächerlichen Popanz und gekrönten Haustyrannen gewor­den, sondern wäre trotz all seiner Fehler als ein bedauernswerter, ja in manchen Zügen sogar liebenswerter Mensch erschienen, dann hät­ten Sie sich stolz und frei zu der großen Leidenschaft Ihres Lebens bekannt, anstatt ständig in dem Verhalten anderer eine Entschuldi­gung für Ihre eigene Schuld zu suchen, und wahrscheinlich wäre dann auch der nachmalige Herzog von Morny, der Sohn Ihrer Liebe, nicht spurlos im Geplauder Ihrer Memoiren untergetaucht.

Gewiß, Diskretion gehört zu den schönsten höfischen Tugenden. Der Leser jedoch, der heutzutage zu Biographien und Tatsachenbe­richten greift, will Wahrheit und fühlt sich betrogen, wenn man ihm, wie das übrigens in vielen Autobiographien geschieht, ein Plädoyer in eigener Sache bietet, statt ehrlich Rechenschaft von dem zu geben, was wirklich gewesen ist. Diese Erwägungen veranlaßten mich zu dem Versuch, das Leben Eurer Majestät noch einmal zu erzählen. Ich habe dabei aus allen erreichbaren historischen Quellen geschöpft, und viele scheinbar frei erfundene Gespräche sind durch Briefstellen oder Zitate aus der zeit­genössischen Literatur zu belegen. Dennoch blieben Lücken, die ich mit meiner eigenen Vorstellung von der jeweiligen Situation ausge­füllt habe. Insofern ist also die vorliegende Biographie genaugenom­men ein Roman, aber ein Roman, der, wie ich glaube, der historischen Wahrheit näher kommt als ihre Memoiren, hochzuverehrende Königin. Das Bild freilich, das dabei zum Vorschein kommt, gleicht kaum mehr jener rührenden Genovevagestalt, als die sie sich selber darzustellen beliebten. Es ist vielmehr das Bild einer Frau mit einem maßlosen Herzen, die immer das Absolute sucht und die ebenso an der Unvollkommenheit der Welt wie an der eigenen Unzulänglichkeit scheitert. Ein Schicksal also, das auch ohne den faszinierenden Hintergrund des napoleonischen Hofes unsere Anteilnahme erweckt. Damit hoffe ich, allergnädigste Königin, meine Korrektur ihrer Memoiren ausreichend begründet zu haben und verbleibe, die postume Vergebung Eurer Majestät erbittend,

in gebotener Ergebenheit
Paul Weymar
ehemals Hofbiograph zu Bonn

1969

BN1922